Eine Zugfahrt, die ist…
… anders! Ganz anders. Aber interessant. Denn Zugfahren in Indien bedeutet nicht “Ich komme in 30 Minuten von A nach B”, sondern “Ich komme in 5, 10, 30 Stunden von A nach B”. Dabei hat man die Wahl zwischen mehreren Klassen und komfortablen oder weniger komfortablen Schlafmöglichkeiten. Um ca. 20.30 Uhr ging- mit einiger Verspätung, welche jedoch niemanden sonderlich störte- die Zugfahrt los und ab 4.20 liefen dann Schaffner durch die Abteile und klopften mit den Worten “Mangalur, Mangalur” an die Pritschen, was für uns bedeutete: Wir waren endlich zuhause!
Als wir aus dem Zug ausstiegen, wurden wir auch gleich von einer Wand aus heißer Luftfeuchtigkeit begrüßt, die noch wesentlich erdrückender als in Coimbatore erschien… Doch unsere ersten Eindrücke von Mangalore waren dennoch sehr positiv: die freundlichen Menschen, die wohlklingende Sprache, das niedliche Flair der Stadt, welches sich schon um 4.30 morgens erahnen ließ. Ja, hier wollen wir gerne für 8 Monate leben!
Erste Tage im Projekt
Unsere ersten beiden Tage in Mangalore (Samstag und Sonntag) waren Feiertage (ein christlicher und ein hinduistischer), weshalb wir unsere Direktorin und die ganzen Mitarbeiter noch nicht kennenlernen konnten. Dennoch kümmerten sich unsere Mentoren sehr liebevoll um uns und gaben uns die Möglichkeit, erste Einblicke in die vielen Facetten unserer Organisation zu gewinnen.
Am Samstag besuchten wir ein Heim für Mädchen, welches von PRAJNA betrieben wird und ab jetzt jeden Sonntag unser Arbeitsplatz sein wird. Die Mädchen waren total gespannt, ihre neuen “sisters” bzw. “akkas” (=große Schwestern) kennenzulernen und empfingen uns mit viel Freude und Elan. Nach einer Vorstellungsrunde, ersten gemeinsamen Spielen und Haare flechten, stand eine Mittagspause mit gemeinsamem Essen auf dem Plan. Danach probierten sich einige Kinder im “Schweinchen in der Mitte” mit uns und wir ließen den Nachmittag mit mehreren kleinen Spielen ausklingen. Insgesamt war es für uns ein sehr ereignisreicher erster Tag. Es war sehr spannend, mehr über die Kinder und ihre Hintergründe zu erfahren, obwohl wir bei einigen Geschichten teilweise heftig schlucken mussten.
Am Tag darauf besuchten wir ein weiteres Kinderheim von PRAJNA. Auch hier kommen die Kinder aus problematischen Familienverhältnissen: Einige Kinder wurden zum Betteln gezwungen, andere lebten mit ihren Familien auf der Straße oder durften die Schule nicht mehr besuchen. Doch sie alle hatten an Lebensfreude nichts eingebüßt und empfingen uns mit einem großen Strahlen, was uns sehr erfreute. Auch hier spielten, malten und redeten wir mit den Kindern und das alles trotz großer sprachlicher Barrieren. Wir genossen unsere Zeit dort sehr, auch da das Team uns unglaublich freundlich in Empfang nahm und zum Schluss beteuerte “You have to come back next week!”. We sure will!
Am Montag herrschte ab 9.30 endlich Hochbetrieb in PRAJNA und wir hatten gute Gelegenheit, viele der “staff members” (insgesamt ca. 80) sowie unsere Direktorin Ms Hilda kennenzulernen. Eine feierliche Begrüßung fand auch kurz darauf statt, wo wir mit Blumen und warmen Worten in der “PRAJNA family” willkommen geheißen wurden. Von vielen der Mitarbeiter wurden wir auch sofort in einige der Aktivitäten und Projekte von PRAJNA eingewiesen: Wir lernten die Frauen aus der Frauenrechtsgruppe kennen, welche Tänze und Reden vorbereitet hatten. Am Mittwoch veranstalteten die Frauen aus den Selbsthilfegruppen von PRAJNA ein Fest, bei welchem sie in Wettbewerben in den Kategorien Tanz, Gesang, Sketche, Kleidung, die schönsten Blumengestecke und die besten Mehendi (Henna- Tätowierungen) um den ersten Preis kämpften. Insgesamt war es ein sehr gelungenes Fest und es war sehr schön zu sehen, dass viele der unterdrückten und misshandelten Frauen einen Weg gefunden haben, sich zu exponieren und von ihren Talenten Gebrauch zu machen! Für und definitiv ein sehr, sehr eindrucksvolles Projekt von PRAJNA.
Erste Missverständnisse…
Kannada- die vielgesprochene Sprache hier im Bundesstaat Karnataka- stellt eine besondere Herausforderung für uns dar, da es neben ein paar Brocken Hindi, Malayalam und anderen regionalen Sprachen oft die einzige Sprache ist, die viele hier beherrschen. Obwohl keine Gemeinsamkeiten zu Deutsch oder zu den romanischen Sprachen erkennbar sind, wollen wir gerne die Herausforderung annehmen, Kannada zu lernen. Nichts erschien uns sinnvoller, als schon mal die wichtigsten Wörter wie “Bitte”, “Danke”, “Hallo” und “Tschüss” zu lernen. Fälschlicherweise verwendeten wir jedoch ein falsches Wort für "Danke”. Seit 3 Tagen hatten wir also um Hilfe gebeten, anstatt uns zu bedanken!
Vorfreude auf die kommende Zeit
Ansonsten hatten wir noch Gelegenheit, mit unseren Mentoren Mangalore City zu erkunden und ein bisschen mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut zu werden, wie z.B. mit dem Bussystem, dem Verkehr, allen wichtigen Geschäften, den Sehenswürdigkeiten, und und und. Da Mangalore eine sehr große und vielseitige Stadt ist, gibt es jeden Tag viel neues zu entdecken.
Wir sind gespannt! Auf die nächsten Wochen in Mangalore; vor allem aber auf die Zeit im Projekt, wenn wir uns in unsere Aufgaben stürzen können. Mal sehen was die Zeit Schönes bringt!
Beste Grüße aus dem fernen Indien!