Donnerstag, 11. April 2013

Preethi (Kannada für “Liebe”)


Eigentlich ist Preethi eine ganz normale Frau. 23 Jahre ist sie alt, hat ihre Ausbildung beendet und träumt von einem glücklichen Leben.

Als wir Preethi zum ersten Mal treffen, lächelt sie schüchtern. Preethi wirkt zufrieden, doch ihre Augen erzählen eine ganz andere Geschichte. Eine erschreckende Geschichte, die ihr Leben von Grund auf veränderte und aus allen geregelten Bahnen warf. Eine Geschichte, die uns zutiefst berührt, weil sie nicht nur persönliche Probleme, sondern auch gesellschaftliche Missstände offenlegt:

16 Jahre war Preethi alt, als sie den Mann heiraten wollte, den sie seit 4 Jahren liebte. Ein Mann, der sie glücklich machen wollte und mit dem sie ihr Leben verbringen wollte. Für beide schien alles perfekt, doch Preethis Eltern konnten die Liebe der beiden aus zweierlei Gründen nicht akzeptieren: Ihr Geliebter, Rajesh, stammte aus einer anderen Kaste als Preethi. Und er war bereits einmal verheiratet und anschließend geschieden gewesen. So sehr Preethi und Rajesh alle Überzeugungskräfte einsetzten, so wenig ließen ihre Eltern sich umstimmen: Einer Ehe wollten und würden sie niemals zustimmen.

Getrieben von der starken Liebe zueinander entschieden sich Preethi und Rajesh, die Meinung ihres Elternhauses zu übergehen und trotz deren Ablehnung in Pune zu heiraten. Was für verheerende Probleme diese Entscheidung nach sich ziehen würde, hätten sie zu dem Zeitpunkt nicht ahnen können.

Preethi und Rajesh erhielten kein Heiratszertifikat und damit war ihre Ehe nicht offiziell anerkannt. Weiterhin wurden sie von ihren Eltern drangsaliert und terrorisiert. Obwohl es in Indien üblicher ist, den Kontakt zu dem Kind kappen, wenn die Eltern der Ehe nicht zugestimmt haben, nutzten Preethis Eltern ihren starken Einfluss, den sie nach wie auf ihre Tochter hatten.

Den Höhepunkt dieser Schikane bildete die Schwangerschaft Preethis, welche für Entsetzen und Entrüstung bei den Eltern sorgte. Der gesellschaftliche Druck und die Sorge um den Verlust des guten Rufes trieben sie dazu, ihre Tochter zu einer Abtreibung zu zwingen. Sie drohten damit, den finanziellen Hahn für Preethi zuzudrehen und sie sämtlicher materieller Güter zu berauben. Da Preethi auf das Geld und die Unterstützung ihrer Eltern angewiesen war, hatte sie keine andere Wahl, als die Abtreibung über sich ergehen zu lassen und den Traum von einer kleinen Familie zerplatzen zu lassen.

Doch auch damit nicht genug. Preethis Eltern, welche die endgültige Loslösung von ihrer Tochter zu ihrem Mann forderten, entwarfen einen ausgeklügelten, grausamen Plan, um einen Keil zwischen die beiden zu treiben. Sie beschuldigten Rajesh, ihre Tochter vergewaltigt zu haben und zeigten ihn an. Gleichzeitig setzten sie Preethi mit Drohungen so unter Druck, sodass sie dazu angehalten war, die Vergewaltigung zu bestätigen und das Dokument zur Anzeige zu unterzeichnen.

Rajesh wurde sofort festgenommen und ahnte, wer die Anzeige zu verantworten hatte. Seine Liebe zu Preethi und die Enttäuschung und Frustration über die Situation trieben ihn zu diversen Selbstmordversuchen in der Haft. Er wollte nicht ohne seine Frau leben und konnte sich eine Zukunft ohne sie nicht vorstellen. Preethi wiederum wurde über die Selbstmordversuche ihres Mannes informiert, und wurde sich der Gräueltaten, welche ihre Eltern initiiert hatten, erstmals richtig bewusst. Nach allem, was passiert war, entschied sie sich schließlich dazu, ihre Eltern zu verlassen und sich von ihrem Einfluss zu lösen. Sie suchte das Frauenhaus PRAJNAs auf, welches ihr seitdem Unterstützung und Versorgung bietet.

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Dank des Engagements des Personals darf Preethi ihren Mann jeden Tag besuchen. Sie ist sehr besorgt, denn aus Liebe zu ihr hat er weitere Selbstmordversuche begangen und unter anderem Glasscherben geschluckt, welche starke körperliche Schäden nach sich zogen: Noch Wochen nach dem Verschlucken erbrach er Blut und fand Blut im Stuhl vor.

Die Zukunft der beiden ist ungewiss. Bald wird Preethi vor Gericht gehen, um ihre Aussage gegen Rajesh zu revidieren. Sie hofft auf eine Freilassung, um ein ganz neues Leben mit ihm beginnen zu können. Doch bis dahin muss sich sein physischer und psychischer Zustand stabilisiert haben. Wann dies passieren wird, ist unklar.

Preethis Augen erzählen diese Geschichte, die sie zu diesem Ort, zum Frauenhaus, gebracht hat. Wie viele tausende Frauen in Indien, sind Preethi große körperliche und psychische Schmerzen zugefügt worden, gegen welche sie sich aus eigener Kraft nicht wehren konnte. Doch im Gegensatz zu all den Frauen, die noch heute schlimmste Misshandlung und Unterdrückung erfahren, hatte sie den Mut, Hilfe von außen zu suchen und die Situation nicht länger hinzunehmen.

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